Der Standard-Käfer
Weniger ist mehr...

Zwischengas – wozu denn das?

Was den Standard für viele so besonders macht ist, dass er von seinem „Urahnen“ neben der Seilzugbremse auch das unsynchrone Getriebe als Vorkriegs-Relikt bis in die 1960er Jahre beibehalten hat. In Zeiten überbordender Assistenzsysteme kann man damit also noch „herrenfahren“ wie in den Frühzeiten des Automobils. Das Aufkommen des Synchrongetriebes wurde übrigens vielerorts als unsportlich bedauert (wie Jahrzehnte später das Automatikgetriebe).  

Damit klar wird, warum das Schalten des unsynchronen Getriebes etwas „sportlicher“ ist, muss man zuerst verstehen, was ein Getriebe tut. Es hat sehr vereinfacht gesagt die Aufgabe, das beschränkte Drehzahlband des Motors durch unterschiedliche Über- und Untersetzungen entweder in den unteren Gängen in Kraft (anfahren) oder in den oberen in Geschwindigkeit umzusetzen. Daher besitzt ein Getriebe zwei Wellen: Der Antriebswelle, die über die Kupplung Kraftschluss mit der Kurbelwelle hat und daher mit der Motordrehzahl dreht. Und den Triebling, der diese Drehbewegung über verschiedene Zahnradkombinationen übernimmt und über das Ausgleichsgetriebe an die Räder bringt.

Wir erinnern uns aus dem Physikunterricht: Wenn ein kleines (angetriebenes) Zahnrad mit einem großen kämmt, dann kriege ich „Kraft“. Das kleine Rad läuft dabei logischerweise wesentlich schneller als das große. Für das Standardgetriebe, dessen beispielsweise erster Gang ein Übersetzungsverhältnis von 1:3,6 hat, bedeutet dies, dass die Antriebswelle 3,6 Umdrehungen macht, während der Triebling eine macht. Im vierten Gang wiederum ist die Antriebswelle langsamer, sie macht 0,8 Umdrehungen, wenn der Triebling eine macht.

„Schalten“ heißt, durch Verschieben der Zahnräder diese unterschiedlichen Übersetzungen herzustellen. Aus dem oben Erläuterten ist nun hoffentlich verständlich, warum die Antriebswelle für die nachfolgende Zahnradpaarung im Regelfall entweder zu schnell oder zu langsam ist, um ein friktionsfreies Ineinandergleiten der Zähne zu ermöglichen.

Nachdem die sogenannten „Synchronringe“, die das sonst übernehmen, fehlen, muss also auf anderem Wege wieder eine Harmonisierung der Wellen-Umdrehungsgeschwindigkeiten hergestellt werden. (Ein Großteil des Preisunterschiedes zum Export war übrigens der Entwicklung und wesentlich teureren Herstellung der selbsttätigen Synchronisierung (zweiter bis vierter Gang) geschuldet.)

Hinaufschalten – Antriebswelle abbremsen

Beim Hinaufschalten ist die Antriebswelle dem nächsten Gang „zu schnell“. Durch langsames und gefühlvolles Schalten mit genug Pause im Leerlauf geben wir ihr Zeit, abzubremsen. Je kälter das Getriebe, umso kürzer die Schaltpause, weil das steife Öl stärker bremst. Den neuen Gang sollte man „einfädeln“ und nicht „draufschieben“. Noch einfacher ist das „Doppelkuppeln“, also vor dem Einlegen des nächsthöheren Ganges nochmal kurz – ohne Gas! – einzukuppeln, weil die Antriebswelle durch kurzen Schluss mit der Leerlaufdrehzahl noch rascher gebremst wird. Also auskuppeln - Gang heraus – im Leerlauf kurz einkuppeln – auskuppeln - höherer Gang - einkuppeln. Das geht in der Regel von Anfang an problemlos und wird bald eine flüssige Bewegung.

Wichtig auch beim Anfahren: Im Stand (also eingekuppelt ohne Gang) dreht die Antriebswelle mit der Leerlaufdrehzahl. Vor dem Einlegen des Ersten trete man daher erst für eine gute Sekunde die Kupplung, damit die Antriebswelle auslaufen kann – es kracht sonst unvermeidlich, wenn die drehende Antriebswelle auf den stehenden Triebling geschoben wird!

Hinunterschalten – Antriebswelle beschleunigen

Beim Runterschalten geschieht nun das Gegenteil: Wir nähern uns ja der unteren Geschwindigkeitsgrenze des Ganges, der Motor und damit die Getriebewelle drehen mit relativ niedriger Drehzahl. Durch das Auskuppeln wird sie noch langsamer, was wieder zu Unstimmigkeiten unter den Zahnrädern führt. Die Antriebswelle muss daher für den niedrigeren Gang beschleunigt werden – das berühmte Zwischengas: Auskuppeln – Gang heraus – Einkuppeln und einen Gasstoß geben – Auskuppeln – niedrigerer Gang - einkuppeln.

Hinzu kommt hier, dass die Menge Zwischengas erstens von den zu wechselnden Gängen und zweitens von der Geschwindigkeit abhängt, bei der man das tut. Vom vierten auf den dritten Gang ist der erforderliche Gasstoß wesentlich kleiner als vom dritten auf den zweiten – alles Übungssache!   Wie auch beim Teilsynchrongetriebe vermeide man, die Erste „aus der Fahrt“ einzulegen, das funktioniert aufgrund des großen Übersetzungsunterschiedes zur Zweiten nur selten. Besser anhalten und im Stand einlegen.  Aufgrund einer Leser-Anfrage hat die „Gute Fahrt“ übrigens in den 1950ern ausgerechnet, dass der Mehrverbrauch durch Zwischengas im Bereich der normalen Streuung der Serienmotoren lag.

Das klingt alles furchtbar kompliziert, aber erinnern wir uns an die erste Fahrstunde – da war auch das Schalten eines „normalen“ Getriebes ein Buch mit sieben Siegeln. Und es macht auch nix, wenn mal der Gang nicht reingeht. Dann aber nicht mit Gewalt versuchen, den Gang reinzudrücken, sondern den Wagen besser rollen lassen und anhalten. Daher sollte man die ersten Schritte auf einer abgelegenen Landstraße tun! Auch gelegentliches Krachen ist nicht so schlimm - das unsynchrone Getriebe ist kräftig ausgelegt und Kummer gewohnt. Man hat tatsächlich gute und weniger gute „Schalttage“. Die ersten weichen und kratzfreien Gangwechsel machen dann jedenfalls große Freude!

Zum Abschluss noch etwas zur Technik:

Es ist state of the art, dass das Getriebe im ersten und zweiten Gang hörbar und charakteristisch singt. Im dritten und vierten Gang (schrägverzahnt und „geräuscharm“), sollte man das Getriebe nicht mehr auffällig hören. Bezüglich Wartungsintervallen etc. unterscheidet sich das Standard-Getriebe nicht vom Export, es ist auch innerhalb des gleichen Modelljahres problemlos gegen ein solches tauschbar. Die Übersetzungen der einzelnen Gänge sind ein bisschen anders, so hat der Standard (aber wohl eher rechnerischer Natur) im Zweiten eine leicht bessere Bergsteigfähigkeit. Von außen erkennt man das Standardgetriebe auf den ersten Blick daran, dass das Gehäuse glatt und nicht wie das teilsynchrone mit Verstärkungsrippen versehen ist.